3D-Audio-Seminar in Wien: Fachwissen trifft Klangerlebnis
Seminar im Studio 2 des ORF RadioKulturhauses
Text & Bilder: Lasse Nipkow
Text & Bilder: Lasse Nipkow
Am 29. und 30. April 2025 fand im Studio 2 des ORF RadioKulturhauses ein 3D-Audio-Seminar in Kooperation mit dem VDT, der ÖTMV, der AES Austria/Germany und Dolby statt, organisiert von einem unserer beiden Referenten für Musik- und Wortproduktion, Lasse Nipkow. Dieser Bericht gibt Einblicke in die Inhalte des Seminars.
Die Veranstaltung brachte Fachleute aus der Audiobranche sowie Vertreter von Kulturinstitutionen, Hotels und anderen Dienstleistungsbranchen zusammen. Im Mittelpunkt des Seminars stand die Kombination technischer und kreativer Aspekte von 3D-Audio – unter dem Motto „Gänsehaut ist planbar!“.
Der Auftaktvortrag fokussierte auf Grundlagenwissen und technologische Innovationen. Dabei ging es unter anderem um die räumliche Klangwirkung und ihre bewusste Gestaltung im kreativen Kontext sowie die Veranschaulichung psychoakustischer Prinzipien anhand einiger Klangbeispiele.
Daniela Rieger stellte in ihrem Vortrag zwei neue Audiotechnologien vor: MPEG-H Audio, einen flexiblen, objektbasierten Audio-Codec, der in Brasilien als Standard etabliert ist, und Dialog+, eine KI-basierte Technologie zur automatisierten Verbesserung der Sprachverständlichkeit, die bereits in der ARD- und ARTE-Mediathek genutzt wird.
Anschließend erläuterten Piotr Majdak und Katharina Pollack das räumliche Hören und beschrieben die grundlegenden Zusammenhänge zwischen Physik und Wahrnehmung bei der Wiedergabe über einen und mehrere Lautsprecher. Karlheinz Brandenburg ging auf die technologischen Entwicklungen bei der immersiven Wiedergabe über Kopfhörer ein. Eine der größten Herausforderungen bestehe darin, ein so realistisches immersives Klangerlebnis zu schaffen, dass es der Hörperson schwerfällt, es vom Klang einer echten Schallquelle zu unterscheiden. Um diese Illusion zu erreichen, sei es nicht notwendig, jeden einzelnen Parameter detailgetreu zu reproduzieren.
Die Akustik des Studio 2 im ORF RadioKulturhaus ermöglichte den Teilnehmenden ein sehr differenziertes Hören. Sebastian Oeynhausen von Pan Acoustics berichtete über die Komponenten des eigenen Beschallungssystems. Für die Front-, Seiten- und Rückbeschallung wurden aktive Lautsprecher aus der Pan Beam-Serie mit PoE++ eingesetzt, was Installation und Betrieb vereinfacht. Der Pan Immerse 4D Audio-Server, der auf den Grundlagen der Wellenfeldsynthese basiert, ermöglicht eine markante Erweiterung der Hörzone. Tom Ammermann erläuterte, dass Immersives Audio für Events, Installationen und Broadcasting völlig neue Möglichkeiten eröffne, das Publikum emotional zu erreichen. Mit seinem Spatial Audio Designer-Prozessor für immersives Management von Audio-Inhalten können Klänge räumlich gemischt und individuell auf großen Lautsprecherinstallationen verwaltet werden. Dies ermöglicht es, detailreiche Klangbilder, hohe Sprachverständlichkeit und Interaktivität zu schaffen.
Für die Herstellung von immersiven Inhalten wurde außerdem das Spatial Audio Designer-Plugin vorgestellt, welches das Herstellen von immersiven Mischungen anwenderfreundlich in herkömmlichen DAWs erlaubt.
Der anschließende Netzwerkabend des 3D-Audio-Seminars bot den Teilnehmenden eine ideale Gelegenheit zum informellen Austausch. In entspannter Atmosphäre konnten neue Kontakte geknüpft, bestehende Beziehungen vertieft und wertvolle Fachgespräche geführt werden.
Den zweiten Tag eröffnete Florian Camerer, Senior Sound Engineer beim ORF. Er demonstrierte seine Arbeit mit immersiven Soundscape-Aufnahmen, die die Hörer*innen akustisch in die verschiedensten Klanglandschaften versetzen. Mit dem speziell entwickelten Double-UFIX-Mikrofonarray nimmt er Umgebungsgeräusche im Auro3D-5.0.4-Kanalformat auf. Das Ziel ist eine plausible immersive Wiedergabe basierend auf dem Grundkonzept Aufnahmewinkel = Wiedergabewinkel.
Roger Baltensperger beleuchtete in seinem Vortrag, wie wichtig es bei Musikproduktionen in Dolby Atmos sei, den kreativen Gestaltungswillen des Produzenten bis zum Konsumenten zu bewahren. Er zeigte auf, wie Künstlerinnen und Tontechnikerinnen trotz der Vielzahl verschiedener Wiedergabesysteme die Präsentation des Endproduktes kontrollieren können und worauf es zu achten gilt. Zusätzlich folgte eine kritische Auseinandersetzung mit den Konsumentenformaten anhand technischer Aspekte und einer Diskussion unter Experten im Plenum.
Eine breite Palette von ausgewählten 3D-Audio-Produktionen, an denen er als Mischer, Recording Engineer und/oder Produzent beteiligt war, zeigte Dietz Tinhof. Besonderes Augenmerk lag dabei bewusst auf kanalbasierten 3D-Formaten, die Dolby Atmos als Vehikel nutzen, aber ohne bewegte Objekte funktionieren. Zudem demonstrierte er die Möglichkeiten der Impulsantwort-basierten Raumsimulationssoftware Vienna MIR PRO 3D.
Stefan Bock präsentierte beim 3D-Audio-Seminar verschiedene Projekte: Im Thermalbad Baden schuf er gemeinsam mit Boris Blank immersive 3D-Audio-Erlebnisse. Mit Martin Kälberer realisierte er im Groundlift Studio eine eindrucksvolle 3D-Musikproduktion.
In seinem Vortrag erläuterte Michel A. Bühlmann von AEU Acoustics, wie Raumakustik und elektroakustische Faktoren das Hörerlebnis beeinflussen: Direktschall und Reflexionen bauen ein diffuses Schallfeld auf, gehen in Nachhall über und prägen so die Klangqualität maßgeblich. Interessant: Trotz präziser technischer Messungen bleibt die Wahrnehmung subjektiv und individuell.
Lennart Damann und Benedikt Ernst von High Tide – Immersive Audio präsentierten, wie immersives Sound-Design und Komposition in der Praxis umgesetzt werden können. Sie zeigten, wie kreative Ideen durch den gezielten Einsatz von 3D-Audio-Technologien zu beeindruckenden Hörerlebnissen werden. Mit ihren Beispielen verdeutlichten sie, wie sich Klänge räumlich gestalten und Emotionen intensivieren lassen.
Parallel zu den Vorträgen präsentierten die Partnerfirmen Pan Acoustics, Sennheiser, Neumann, New Audio Technology, Brandenburg Labs, Pinguin Ingenieur Büro und VR Eventfilm ihre aktuellen Produkte. Das Publikum konnten sich Demos der verschiedenen Produkte vor Ort anschauen und anhören, darunter auch selten erfahrbare Technologien, wie zum Beispiel die Kombination von VR-Brille mit 3D-Audio-Wiedergabe über Kopfhörer.
Das 3D-Audio-Seminar in Wien bleibt den Teilnehmern sicherlich als inspirierende und bereichernde Veranstaltung in Erinnerung. Es bot nicht nur Wissen und Networking, sondern auch nachhaltige Impulse für die Anwendung von 3D-Audio in unterschiedlichen Szenarien. Besonders für Planer und Betreiber von Kulturstätten, Museen und Hotels eröffnen sich durch immersive Audiotechnologien neue Möglichkeiten, Besucher*innen emotional zu erreichen und einzigartige Erlebnisse zu schaffen.